„Liebe Brigitte,…“

„Liebe Brigitte,…“

Manchmal bin ich im Zwiespalt, wenn es um persönliche Dinge geht, die ich im Haus finde. Wie zum Beispiel alte Fotos, Dokumente und Briefe. Aber dann sage ich mir, wenn es die Altbesitzer nicht zu wertschätzen wussten, ich es aber umso mehr schätze, und vielleicht sogar einen Ort finde, an dem die Postkarte oder das Foto einen neuen Platz bekommen kann, dann sollte es doch in Ordnung sein, das Fundstück zu behalten. Oder?

Diese Karte aus Porzellan ist von Villeroy & Boch. Sie wurde an Brigitte geschickt mit lieben Glückwünschen zu ihrem Geburtstag im Jahr 1984. Brigitte ist hier in diesem Haus aufgewachsen. Ihre Eltern waren die Dorfbäcker und führten im Haus, das zeitgleich Wohnhaus war, ein Bäckereigeschäft. Die Pfannkuchen (auch bekannt als Berliner) sind heute noch in aller Munde. Zwei Nachbarn haben sogar das Original Rezept, und backen sie immer an Silvester. Ich hoffe, es irgendwann mal von ihnen zu bekommen.

Von Brigittes Tochter konnte ich erfahren, das sie nicht immer glücklich war als Kind an diesem Ort. Vielleicht wegen dem kleinen Zimmer unter dem Dach. Dort sollen wohl die Kinder geschlafen haben. Ich kann mir vorstellen, das es dort gruselig, und im Winter zu kalt und im Sommer zu heiss war. Die Anbauten entstanden alle erst später, und nur dadurch weitere Schlafzimmer und Räumlichkeiten.

Ich habe auch dieses gerahmte Foto von Brigitte als junge Frau entdeckt in einem vergessenen Karton auf dem Dachboden, so wie die Postkarte. Anhand weiterer Fotos, Dokumente und Notenblätter konnte ich herausfinden, das sie nicht nur eine wunderschöne Frau war, sondern fröhlich und stark, die Saxophon spielte und Musiklehrerin wurde, auch gern mal ein Bier trank und das Leben genoss.

 

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Garz.

Garz.

Rügen im Regen – Teil 2.

Nachdem mich Binz im Regen begrüßt hatte, und ich einen wundervollen Strandspaziergang machen konnte, entschied ich mich danach der L29 weiter zu folgen Richtung Putbus, und spontan zu entscheiden, wann ich wieder aussteigen wollte. Putbus überraschte mich. Links der Park, rechts die weiße Stadt. Aber ich blieb im Auto und fuhr weiter. Das hebe ich mir für den Herbst auf. Bewundernd fuhr ich die Alleenstraßen entlang, an Feldern vorbei. Die Weite, so großzügig, genauso habe ich mir Rügen vorgestellt.

Als ich nach Garz kam, fielen mir zwei Schilder auf: „Ernst-Moritz-Arndt-Museum“ und „Burgwall“. „Wer ist Ernst Moritz Arndt?“, fragte ich mich. Ich bog an der nächsten Möglichkeit ab, um zu dem ausgeschilderten Museum mit Parkplatz zu kommen. Jetzt war ich neugierig. Welcher Mensch würde mich nun erwarten, dem auf Rügen in Garz ein Museum gewidmet wurde?

Ernst Moritz Arndt war ein Dichter, Schriftsteller, Publizist und Uniprofessor in Greifswald und Bonn. Er lebte von 1769 bis 1860. Damals war er ein angesehener Mann, galt als zukunftsorientiert. Heute befinden sich viele Menschen im Zwiespalt, aufgrund seiner politischen Äußerungen. Das spiegelt das Museum wider und greift es gekonnt auf. Aus meiner Sicht zeichnet es das Museum aus, sich mit dieser besonderen schwierigen Problematik auseinander zu setzen, und trotzdem einen Ort zu schaffen, der seine Geschichte von der Kindheit an bis zu seinem Tode erzählt, und dabei sein dichterisches und literarisches Schaffen nicht aus den Augen verliert und ehrt, ohne das Rügen heute nicht Rügen wäre.

Besonders angetan haben es mir die wunderschön bestickten und illustrierten Umschläge der alten Erstausgaben seiner Sagen- und Märchenbücher. Etwas bedauerlich ist, dass es keine aktuelle gebundene Ausgabe mit den schönen Illustrationen gibt, aber vielleicht finde ich eine, in einem der alten Bücherkartons auf meinem Dachboden. Wer weiß?

Das Museum befasst sich auch mit der Sprache und Schrift in seinen Briefen. Wie es damals üblich war, wurde mit Feder geschrieben und in Kurrentschrift. Ernst Moritz Arndt hatte viele Briefe an seine beste Freundin und seine Schwester geschrieben, die bereits übersetzt werden konnten. Es ist spannend die Typografie zu sehen. Die Schnörkel die über das Papier laufen, wie kleine Pfade auf dem Weg zu einem vollständigen Satz. Die Art der Worte, die Sprache, die heute niemand mehr spricht, zu hören und zu lesen, lässt mich abtauchen in eine andere Zeit als Feder, Tintenfass und Papier Konzentration und Ruhe brauchten, um zu einem Brief zu werden. Fehler konnten nicht ausradiert, überstrichen oder gelöscht werden. Es gibt nicht mehr viele Menschen, die diese Schrift lesen können. Meine liebe Oma Edith ist 93 Jahre. Sie könnte es noch.

„Der Mensch ist wie die Welt um ihn, und die Welt wird, wie der Mensch auf ihr.“

Hat Ernst Moritz Arndt einmal gesagt. Das Zitat bewegt mich. Es ist so alt, aber es ist so passend für die heutige Zeit, als wenn es erst gestern aufgeschrieben wurde. Danach ließ ich den Ausflug nach Rügen bei einem Spaziergang, immer noch im Regen, am Burgwall, ausklingen, bevor ich mich auf den Weg nach Hause machte, mit neuen Ideen für einen Ausflug nach Rügen im Gepäck.

www.arndt-museum.de

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Kühlungsborn.

Kühlungsborn.

Ich bin verzaubert. An dem Teil des Strandes, an dem die Steine liegen bleiben, und die Natur ihren eigenen Gesetzen folgt. Bernsteinsammler nach einem Sturm auf die Suche gehen, um das braune Gold zu finden. Dort wo die Kegelrobben Familie im Frühling Rast macht, um Fische zu jagen. Der Sonnenuntergang senkrecht zum Horizont steht, und man das Gefühl hat, der Himmel verschluckt das Meer, wenn die Mittagssonne ihre ganze Energie Richtung Erde schickt. An diesem Ort wurde ich Donnerstagabend verzaubert. Von der Weite, der Stille, der Natur, vom fast menschenleeren Strand, der ruhigen See, dem leisen Krächzen der Möwen, vom Leuchten des Leuchtturms, und von einem wunderbaren langen Abend, bis die Sonne abgelöst wurde von der Sichel des Mondes.

Dennis. Am Strand in Kühlungsborn traf ich Dennis, als ich nach dem Schwimmen spazieren ging, und Zufallssteine sammelte. Er war auf der Suche nach Scherben. Er erzählte mir, dass Bernsteine und Phosphor leicht verwechselt werden könnten. Am Strand, speziell auf Rügen, kommt es ab und an zu Unfällen mit Phosphorsteinen, da es dem zauberhaften braunen Stein sehr ähnlich sieht. Sagt Dennis. Ich hatte zwei braune Steine in der Hand, die ich sofort ins Wasser fallen ließ. Sicher ist sicher.

Dennis kommt aus Niedersachsen, hat einen Job bei einer Bank, und sprach mit mir über den Immobilienmarkt in seiner Heimatstadt. So landeten wir ganz schnell bei dem in Mecklenburg, der sich gerade rasant verändert hat. Zurecht wie ich finde. Es wurde Zeit. Dennis würde gern nach Rostock, Wismar oder ans Meer ziehen. Seine Heimatstadt gefällt ihm nicht mehr. Ich kann das sehr gut nachvollziehen. Man wird mit allem überhäuft, alles ist extrem. Laut, voll, Überfluss und trotzdem das Gefühl allein zu sein.

Aus einer Zufallsbekanntschaft am Strand wurde ein längerer Plausch später mit seinen Eltern, die mit ihm im Urlaub sind. Immer der Liebe zur Ostsee folgend. Jedes Jahr. Sympathisch und unkompliziert.

Mein mich begleitender Freund, ein Kühlungsborner Insider, erzählte uns die Geschichte von diesem Strand, und dass es hier ein versunkenes Dorf geben muss. Taucher lieben diesen Ort, Scherben, Steine und ein nutzloser Straßenrest am Strand bestätigen die sagenhafte Geschichte. Wir lauschen gebannt. Ich richte meinen Blick aufs Meer, da wo das Dorf irgendwo, wie Atlantis, versunken liegen musste. Ich staune, fühle mich überrascht, diese abenteuerliche Geschichte kurbelt meine Fantasie an.

Dann taucht ein kleines Segelboot am Horizont auf, die Segel sind eingeholt, es schaukelt gemütlich an uns vorbei, auf der stillen weiten geheimnisvollen und märchenhaften Ostsee, eingetaucht in ein Meer aus rosafarbenen Wolken.

 

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Anneliese.

Anneliese.

Am Sonntagmorgen bin ich zur Ostsee gefahren als alle Urlauber noch in ihren Betten lagen. Ich entdecke gerade die Ostsee für mich, denn tatsächlich kenne ich noch nicht allzu viel von ihr und hatte sie immer gemieden, wegen der vielen Menschen im Sommer an den Stränden. Ich fahre eigentlich lieber an Seen und suche nach ruhigen Plätzen, an denen ich allein sein kann. Mit Tipps von meinen Nachbarn im Gepäck fuhr ich in die Nähe von Dierhagen. Zufällig macht dort ein Freund aus Berlin gerade Urlaub, so konnten wir uns beide nach drei Jahren endlich auch mal wieder sehen.

Mein erster Weg führte mich aber erst einmal an den Strand der mir empfohlen wurde von meinen Nachbarn. Dort lernte ich Anneliese kennen aus dem Erzgebirge. Sie lächelte mir schon zu als ich den Strandaufgang hochlief. Sie saß in der Sonne und genoss den noch wolkenverhangenen Himmel, der uns vor der Morgensonne schützte, aber schon ankündigte, das es bald ein herrlicher Sommertag werden würde. Ich selbst genoss die Ruhe und menschenleere. Den Blick auf den Horizont gerichtet. Nur ich und das Rauschen des Meeres. Unfassbar dieser Moment, ein Moment zum ein- und ausatmen.

Eine warme leichte Brise wehte durch die Luft und schickte den Duft der Moosrose vom Strandaufgang bis zu meiner Picknickdecke. Der wunderschöne Sandstrand unter meinen Füßen war kühl und weich. Die Wellen schoben noch eine ruhige Kugel. Die wechselnde Wärme und Kühle des klaren Wassers schüttelte die letzte Morgenmüdigkeit von mir ab. Am Strand fand ich zwei weiße große Federn und einen Herzstein. Wieder ein Herz am Strand. Das ist doch kein Zufall?!

Anneliese und ich kamen nach meinem Badeausflug ins Gespräch. Sie ist eine Allein-Reisende braungebrannte Powerfrau (ca. 60 Jahre), mit Rucksack auf dem Rücken und hat ein buntes Tuch um den Kopf geschlungen, die ihren Kater vermisst, und sich ein „Schneckenhaus“-Anhänger, um noch mehr Freiheit zu haben, gekauft hat. Seit 32 Jahren macht sie an diesem Ort und Strand Urlaub, weil die Touristen eher weiter fahren, direkt nach Dierhagen. Am Strand liegen sie oft am Strandaufgang und gehen nicht so weit den Strand hinauf. Obwohl es dort die schönsten Plätze gibt fast menschenleer. Hier kann man also tatsächlich auch allein sein, wenn man es braucht.

Anneliese arbeitete den Großteil ihres Lebens in der Pharmaindustrie. Aufgrund des hohen Arbeitspensums hatten sie ein Burn Out und verließ dann das Unternehmen als Rentnerin. Heute reist sie um die Welt, probiert sich aus und lernt Menschen kennen. Auf dem Weg zur Ostsee war sie bei einem Schamanen und hat Freunde besucht. Im nächsten Jahr ist sie wieder hier, aber diesmal nicht allein, denn der Kater fährt mit in den Urlaub, und mit einem kleinen Haus auf dem Campingplatz.

Ich liebe Tage an denen solche zufälligen Begegnungen den Tag zu etwas besonderen werden lassen.

Meinen Freund habe ich auch gesehen, es war als wären erst ein paar Wochen vergangen seit unserem letzten Wiedersehen. Wir haben so viel gelacht und geplaudert, Geschichten erzählt und den Tag am Strand genossen, dass ich abends zu Hause völlig sonnenverzaubert, bis in den Morgen noch getanzt habe.